Im Spiegel der Presse
Amateurtheater Ochsenhausen e.V.

 

Ein Monster mit Biss und Charme

Schwäbische Zeitung 08.07.2013 von Günter Vogel

Das Amateurtheater Ochsenhausen begibt sich auf die Suche nach dem Mythos Dracula

Ochsenhausen - Regisseur Günther Treptow hat für das diesjährige Stück des Amateurtheaters Ochsenhausen selbst die Autorenrolle übernommen und den Akteuren ihre Rollen nach dem Roman "Dracula" von Bram Stoker direkt auf den Leib geschrieben. Mit Unterstützung von Birgit Schuck ist Treptow auch wieder für die Regie verantwortlich.

Bram Stoker hatte 1890 von der Legende um den rumänischen Fürsten Vlad III. Tepes Draculea gehört und entwickelte aus diesem Charakter die Romanfigur des Dracula, der jetzt auf der Bühne vor der Klosterkirche leibhaftig wurde.

In der Handlung reist der Advokat Jonathan Harker (jugendlich ernsthaft: Christian Ruess) nach Transsylvanien zu Verhandlungen mit Graf Dracula (charmantes Monster: Oliver Falk). Zufällig sticht Dracula ein Bild von Harkers Verlobter Mina ins Auge, die seiner verstorbenen Frau täuschend ähnlich sieht, und der Graf reist nach England. In London umgarnt der charismatische Transsylvanier die junge Mina (intensiv damenhaft: Carola Mayer). An ihrer besten Freundin Lucy (mit differenzierter Expressionsfähigkeit: Liane Ruopp) stillt er aber erbarmungslos seinen Blutdurst und macht sie zu einer Untoten. Selbst der Beistand des berühmten Vampirjägers van Helsing (Idealbesetzung als ruhender Pol: Boris Kappler) kann sie nicht mehr retten. Schließlich stellen die Engländer den Fürsten der Finsternis vor seinem Schloss. Es kommt zum Showdown.

Der Beginn des Stücks ist voller Charme: Junge Vampirmädchen aus der Equipe des Meisters in Minirock und Netzstrümpfen zeigen ihre Eckzähnchen, kreischen unisono und schnurren lieb wie kleine Löwenbabys. Herzig!

Und dann kommt er selbst, der Champion des Vampirismus, wartet, dass sich Harker beim Rasieren schneidet. Beim Biss in einen frischen Frauenhals röhrt er vor Begeisterung. Wölfe jaulen dazu klangatmosphäreverstärkend von der CD.

Treptow entwickelt das Spiel auf mehreren Ebenen, sowohl auf dem Stammschloss derer von Dracula als auch in London bei der besseren Gesellschaft. Durch schnelle Wechsel der Handlungsbilder kommt trotz gelegentlicher Dialoglängen keine Langeweile auf.

Reichlich fließt der Himbeersaft.

Der Autor und Regisseur benutzt streckenweise die etwas altmodisch-umständliche Sprache von Bram Stoker, erreicht damit auch literarische Wirkungen über den reinen Spannungsknüller hinaus.

Knoblauch müsste man jetzt haben: Dracula (Oliver Falk) und seine Vampirmädchen rücken Jonathan Harker (Christian Ruess) auf die Pelle.           SZ-Foto: Vogel


Er nutzt professionell alle möglichen theatralischen Wirkungen und Interpretationen, die der Stoff hergibt, um ein breites Spektrum von der Komik bis zur gesteigerten Dramatik, gelegentlich recht nahe an der Kitschgrenze, zu erzeugen. Die realistische Darstellung regt aber auch schon mal zur Heiterkeit an, wenn es blutig wird. Und blutrünstig ging es wahrlich zu. Dracula und Mina läuft in der Beißszene der Himbeersaft in breitem Strom aus dem Mund.

Auffallend sind die Spielbegeisterung und die gute Sprechkultur aller Beteiligten; hier wurde intensiv und erfolgreich gearbeitet. Aus einem klassischen Stoff wurde ein spannendes Stück Theater, das zu Recht mit lang anhaltendem Beifall bedacht wurde.

Weitere Vorstellungen sind am Dienstag, 9., Mittwoch, 10., Freitag, 12., und Samstag, 13. Juli, jeweils ab 20.30 Uhr vor der Klosterkirche.


Letzte Änderung der Seite am 30.11.2019
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